Praktische Anregungen zum Schulalltag - Klettverlag 2001 (Nürnberger Projektgruppe)
Dieses Buch, ausgehend von den Forschungsergebnissen einer Nürnberger Projektgruppe zu „Unterrichtskommunikation“ ist empirisch breit abgestützt. Die Autoren haben ihre zahlreichen Beobachtungen und Analysen so aufgearbeitet, dass dabei alle wesentlichen Bereiche von Gruppenunterricht praxisnah besprochen werden. Theoretische Hintergründe, Vorbereitung sowie die Phasen des Gruppenunterrichts, Einsatzmöglichkeiten, konkrete Beispiele und Grundbedingungen des kooperativen Lernens werden näher erläutert.
Während unsrer Ausbildung hatte ich Auszüge dieses Buches aufzuarbeiten und musste anderen Gruppenmitgliedern in wenigen Minuten die Kernaussagen dieses Buches nahe bringen.
Mich selber haben dabei die Inhalte und vorgeschlagenen Anregungen , gestützt auch auf meine eigenen Erfahrungen mit kooperativem Lernen, sehr überzeugt. Hier nun einige Innenansichten des Buches „Erfolgreicher Gruppenunterricht“.
1.5. Die Phasen des Unterrichts (S.15):
Arbeitsauftrag – Verständnissicherung – Gruppenarbeit – Beendigungsphase – Auswertung
Damit während der Gruppenarbeitsphase die Schüler/innen selbständig und möglichst ohne Hilfe der Lehrperson arbeiten können, ist die Verständnissicherung unabdingbar.
Diese wichtige Grundlage wird oft wegen vermeintlichem Zeitdruck oder einfach weil die Schüler nicht entsprechend mit Fragen nachhaken, vernachlässigt. Oft wird erst im Verlauf der Gruppenarbeit klar, dass einzelne Schüler den Auftrag nicht wirklich verstanden haben.
Die Autoren machen darauf aufmerksam, dass die Beendigung einer Gruppenarbeit klar kommuniziert werden muss. Die Beendigung einer Gruppenarbeit und allfällige Auswertung sollte deshalb vorher besprochen werden. Der Arbeitsauftrag sollte so angelegt sein, dass die Schüler ihre Ergebnisse abwechslungsreich präsentieren können. (mündlich, schriftlich, nonverbal, optisch, akustisch-musikalisch, audiovisuell)
Besonders hilfreich fand ich die verschiedenen Checklisten , die komprimiert die wichtigsten Leitsätze und Grundhaltungen für gelungenen Gruppenunterricht widerspiegeln.
Nachstehend habe ich verschieden Beispiele wie Gruppenarbeit gelingen kann aus dem Buch zusammengefasst und teilweise mit eigenen Kommentaren erläutert.
4.2. Checkliste zur Gestaltung von Arbeitsaufträgen (S. 32 – 36)
- Bisherige Erfahrungen einbeziehen (Vorwissen in Bezug auf Gruppenunterricht)
- Sind die benötigten Arbeitstechniken bekannt?
- Soll die Gruppenleistung bewertet werden? Welche Kriterien will ich wie gewichten?
- Einbettung in Unterricht (Einstieg, Übung ....)
- Lerninhalte dem Leistungsstand der Schüler anpassen (dabei auch Lernziele im Aug behalten)
- Arbeitsmaterialien bereitstellen
- Mögliche Schwierigkeiten voraussehen und entsprechende Hilfsimpulse (so wenig wie möglich) bedenken
- Für schnellere Gruppen Zusatzaufgaben bereit halten oder andere Regelung überlegen.
- Auftrag muss Zusammenarbeit beinhalten. Formulierungen sollen zu zweckmässiger Kooperation veranlassen.
- Auftrag soll in Gruppenarbeit sinnvoller als in einer andern Sozialform lösbar sein
- Aufträge eindeutig formulieren
- Klarstellen in welcher Quantität, Reihenfolge, Zeitspanne und Qualität die Aufträge ausgeführt werden sollen.
- Genau abmachen, in welcher Form die Ergebnisse präsentiert werden müssen (Plakat, HP, Rollenspiel ...)
- Arbeitsauftrag schriftlich formulieren (schon in der Vorbereitung)
- Einfache, kurze Sätze (mit geläufigen Wörtern)
- Fachbegriffe und Schlüsselwörter klären
- Möglichst anschaulich (Wesentliches hervorheben, ev. Skizze) und übersichtlich (Gliederung) präsentieren
- Schriftliche Form des Arbeitsauftrages (Blatt, Folie, Wt)
- Die Schüler den Auftrag in eigenen Worten wiederholen lassen
- Nachfragen ob alles verstanden wurde
- Gezielte Fragen stellen, um zu überprüfen, ob alles verstanden wurde!
- Mit Blickkontakten überprüfen: gibt es nonverbale Anzeichen des Nichtverstehens?
- Konsequent vorlaufende Gruppenarbeiten unterbinden.
Fazit: Kooperationsfördernde, verständliche, präzise und im Verständnis gesicherte Arbeitsaufträge machen Lehrerinterventionen oft überflüssig
Dieser Kernsatz ist zugleich Überleitung zur nächsten Checkliste, bei der es um das eigene Verhalten der Lehrperson geht. Wie bewusst reflektiert und steuert die Lehrkraft die Gruppenarbeiten?
5.2. Checkliste zum Lehrerverhalten während der Gruppenarbeit (S.56-58):
Oberstes Ziel sollte ein weitgehendes Sich-Zurückziehen der Lehrkraft sein.
- Bewusstes Zurückziehen: Am Pult arbeiten, Tafelschrift vorbereiten ....
- Gruppe aus Ferne beobachten
- Nicht ständig durch Klasse laufen. So werden nur unnötige Interventionen provoziert.
- Unterbrechen der Gruppenarbeit durch Lehrerimpulse verkürzen oft unnötig Gruppenarbeitszeit
- Vor allem plenumsadressierte Interventionen vermeiden. Nur in Notfällen.
- Selbstätigkeit und Selbständigkeit sind wichtige Erziehungsziele. Geduld üben.
- Hilfe verweigern, wenn Schüler auch alleine zurecht kommen
- Erst nach längerem Bemühen, wenn Schüler offenkundig nicht mehr weiterkommen, Hilfestellung geben
- Vorher vereinbaren, dass Lehrperson nur bei Notfällen hinzugezogen werden kann
- Nur so viel Hilfe wie nötig (mit Hilfsimpulsen Eigenimpulse der Schüler aktivieren)
- Auf Arbeitsaufträge verweisen, eng an der aufgestellten Aufgabe bleiben (möglichst keine neuen Anweisungen)
- Gruppengeschehen vor Intervention gut beobachten, gut zuhören, sich informieren
- Sich kurz halten, wenig reden, kein Mini-Frontalunterricht
- Freundlicher Umgangston, Ermutigung der Schüler
- angemessenen Lob oder Tadel geben(nur wenn berechtigt)
6.4 Checkliste zur Auswertungsphase (S. 78-80)
- Aufträge so gestalten dass eine abwechslungsreiche Auswertung der Ergebnisse möglich ist
- Ergebnisse meist in klarer, knapper Form (vorher vereinbaren)
- Behutsame Vorschau der Gruppenergebnisse (evtl. zusätzliche Vorkehrungen zur Sicherung der Ergebnisse treffen)
- Weiter auf Vielfalt (auch Medienauswahl) der Auswertungen Acht geben à Langeweile vermeiden
- Blosses Ablesen unbedingt vermeiden
- Aufmerksamkeit aller Schüler bei Vorträgen der Einzelergebnisse sichern
- Genug Zeit einplanen
- Alle Gruppen gleichermassen berücksichtigen
- Immer Gruppe als Ganzes aufrufen (Gruppennamen helfen zur Identifikation)
- Reihenfolge soll sinnvoll sein
- Bei gleichen oder ähnlichen Ergebnissen Präsentation aufteilen, Wiederholungen vermeiden
- Bei der Präsentation der Ergebnisse flexibel bleiben
- Einzelergebnisse vernetzen
- Balance zwischen Eingreifen und Nicht-Eingreifen (wird in einem späteren Kapitel vertieft)
- Leistungserwartung kommunizieren
- Benotung/Bewertung vornehmen (Kriterien vorher gut überlegen und auch kommunizieren)
- Auf Absicherung (evt. mit Bewertung) der Ergebnisse schon während der Gruppenarbeit achten.
- Gemeinsame Reflexion der inhaltlichen Ergebnisse aber auch der Beziehungsseite im Gruppenarbeitsprozess
- Feedback nicht zur Routine verkommen lassen.
Dies ist ein Grundkonflikt, der bei allen Lehrpersonen in der einen oder anderen Form auftritt. Soll ich regulierend eingreifen oder den Schülern Freiraum lassen? Dieser Grundkonflikt begleitet jeden Gruppenunterricht. Immer wieder muss man sich entscheiden. Hier muss jede Lehrperson für sich abwägen, ob sie nun eingreifen will oder nicht.
Eingreifen
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Nicht-Eingreifen
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Ich muss die Gruppe gezielt bilden!
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Ich muss die Gruppen sich selbst zusammenraufen lassen!
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Ich muss die Aufgaben in den Gruppen verteilen!
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Die Schüler müssen die Aufgabenverteilung selbst hinkriegen! |
Ich muss Disziplin, Mitarbeit und Ergebnisse kontrollieren! |
Ich muss die Gruppen selbständig arbeiten lassen!
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Ich muss in Gruppenkonflikte aktiv eingreifen!
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Ich muss mich bei Auseinandersetzungen heraushalten
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Ich muss den vorgefassten Zeitplan einhalten!
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Ich muss den Schülern Zeit nach Bedarf geben
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Ich muss die Auswertung nach meinen Vorstellungen durchführen! |
Ich muss den Schülern Freiraum lassen
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Ich muss die Auswertung straff durchziehen!
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Ich muss alle Gruppen drankommen lassen
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Bei den Lehrkräften unterscheiden die Autoren 3 Wissenstypen. Diese 3 Wissenstypen zeigen die mögliche Bandbreite des Lehrerverhaltens auf.
Dies wirkt sich auch bei Gruppenarbeiten entsprechend auf das Eingreifen oder Nicht-Eingreifen der Lehrperson aus.
Wissenstyp 1
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Wissenstyp 2
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Wissenstyp 3
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Legt Ziele fest
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Legt Rahmen für Ziele fest
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Verändert eventuell den gesteckten Rahmen im Unterrichtsablauf |
Kontrolliert laufend die Arbeit
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Zieht sich zeitweise zurück
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Zieht sich so weit wie möglich zurück
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Lenkt inhaltlich
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Hilft bei Sachproblemen und Fragen
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Verweigert sich, wenn Schüler Fragen selber lösen können
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Greift bei Störungen ein
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Greift bei Unruhe ein
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Beobachtet Unruhe und Konflikte, greift erst ein, wenn keine Lösung erfolgt |
Bewertet in erster Linie die Leistungen
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Bewertet Gruppenprozesse im Hinblick auf Leistungsziele
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Reflektiert Gruppenprozesse zusammen mit den Gruppen auch unabhängig von Leistungszielen |
Diese Tabelle zeigt auf, wie sich die Rolle der Lehrperson verändert von der Lehrkraft, die als wissende Autorität kontrolliert und steuert bis zur Lehrkraft die ihre Rolle als Wissensvermittler phasenweise verlässt und der Eigendynamik der Schüler mehr Raum gibt.
Wünschenswert wäre natürlich eine höchst mögliche Selbständigkeit der Schüler, die dem Wissenstyp 3 entspricht, doch dies ist ein fortlaufender Prozess, der uns als Lehrpersonen immer wieder herausfordert. Eingreifen oder Nicht-Eingreifen?
Abschliessend noch ein kurzer Abschnitt zu einem heiklen Thema.
Die Vorstellung, dass Gruppenunterricht Leistung bringen sollte, ist in unseren Breitengraden noch unterentwickelt. Es braucht eine gewisse Übung im Umgang mit kooperativem Lernen, um gemeinsame Noten als fair zu erachten.
„Generell gilt, dass die Benotung der Schülerleistungen in einer Art, die den Schülern klar macht, dass sie auf einander angewiesen sind, zu den schwierigsten Aspekten der Schaffung einer kooperativen Lernumwelt gehört.“
Nur dort, wo die Bewertungskriterien transparent und für alle nachvollziehbar fair sind, soll die Gruppe als Ganzes oder Schüler individuell im Gruppenprozess bewertet werden.
Eine letzte wichtige Anmerkung, die den Autoren dieses Buches wichtig war, ist die Vorbildfunktion.
Lehrpersonen, die selber im Lehrerkollegium versuchen als Team Schule und Unterricht zu verbessern. Kooperatives Lernen, das an der gesamten Schule gelebt und kultiviert wird.